Blog

Der blinde Mann an der Bar

Ich halte nicht sehr viel von öffentlichen Bädern, doch letztens ließ ich mich von zwei Freundinnen überreden sie zu begleiten. Öffentliche Bäder sind fast immer überfüllt und Ruhe braucht man dort garnicht erst suchen. Ich dachte mir dass sie ohne mich vermutlich nicht wissen wie sie dorthin kommen sollen, da sie beide erst seit kurzem hier wohnen. Also gingen wir los, zum Schwimmbad auf dem Berg. Ich muss zugeben, die Aussicht ist Atemberaubend. Einfach wunderschön. Da wir uns erst relativ spät auf den Weg gemacht haben, war es kaum verwunderlich, dass der Himmel sich langsam von Hellblau zu einem leichten Rosa verfärbte.

Je lézarde au soleil
Je vois des merveilles
Je marche, solo

Tu me souffle à l’oreille
Que l’amour te réveille
Ici tout est beau

Wir kamen an, saßen uns vor lauter Erschöpfung durch den Fußmarsch als erstes an die Bar. Wir bestellten einen Aperol-Spritzer, einen weißen Spritzer und ich nahm ein großes Soda. So durstig wie ich war hätte ich auch gleich Flaschenweise bestellen können. Als ich mit meiner Bestellung fertig war, hörte ich den Mann neben mir sagen „ Es gibt immer jemanden der in der Gruppe aus der Reihe tanzt“. Er trug eine Leinenhose, ein Sako und ein Hemd. Er wirkte überhaupt nicht overdressed, sondern sah gut aus in dem was er trug. Er war maximal 30 Jahre alt, hatte dunkelblondes Haar und die mit Abstand faszinierendsten Augen dich ich je gesehen hab. Sie waren fast schon eisblau, und man hatte das Gefühl er würde mit diesen Augen alles sehen, sogar das Verborgene. Als könnte er hinter jede Fassade, jede Maske schauen. Wir kamen ins Gespräch und vergaßen, dass wir eigentlich zum Schwimmen gekommen sind.

Alors je laisse mon coeur dériver
Mon coeur s’étonner
Car il faut que je te diese

Da ich es liebe in Fettnäpfchen zu treten, konnte ich nicht widerstehen und musste einfach wieder in eines steigen. Ich weiß nicht mehr wie wir auf das Thema gekommen sind, aber wir sprachen irgendwann über blinde Menschen, und darüber wie sie die Welt wahrnehmen. Er erklärte es sehr überzeugend, blinde sehen nicht mit den Augen, sie sehen mit den Händen, den Ohren, der Nase, der Haut und dem Herzen. Sie sehen Dinge, die andere niemals begreifen können. Ich gestehe, für den nächsten Satz kann ich mich heute noch Ohrfeigen, denn ich sagte zu ihm „ Du redest so, als hättest du wirklich eine Ahnung davon, doch woher nimmst du dieses Wissen? Aus Filmen wie Imagine?“ In diesem Moment hatte ich wirklich das Gefühl, als würde es um mich herum still werden. Der Barkeeper schaute mich an, als hätte ich etwas wirklich Unangebrachtes gesagt. Julian, der Mann mit dem wir uns unterhielten, sah mich an und fragte mich ob ich denn nicht gemerkt hätte, dass er blind sei. Ich hatte wirklich keine Ahnung. Manches was er sagte und tat ergab plötzlich Sinn.

Je suis tombé sous le charme
A cause de tes mains, de tes mots doux
Tournes autour de mon âme
Comme des refrains vaudou
Je suis tombé sous le charme
A cause de ton sein sur ma joue
Tournes autour de mon âme
Et je tombe dans le bayou

Es wurde Zeit zu gehen. Ich versprach ihm am nächsten Tag wieder zu kommen. Er versprach mir, wenn wir wieder kommen würden, würde er dafür sorgen dass wir uns wie Prinzessinnen fühlen werden. Wie versprochen, kamen wir am nächsten Tag wieder. Diesmal etwas früher, um noch den herrlichen Tag zu genießen. Es war ein wundervoller Tag, der auf diesen wundervollen Abend folgte. Ich gestehe, ich fühlte mich wie eine wahre Prinzessin, denn wir wurden wirklich verwöhnt. Einer der Kellner, brachte uns kostenlos Getränke, auf der Terrasse des Restaurants erhielten wir den besten Tisch und das Essen schmeckte einfach nur fabelhaft. Wir hatten eine wunderschöne Aussicht. Als wir dann auch das Essen nicht zahlen mussten, beschlossen wir, wenn Julian noch kommen sollte, ihm das Geld zu geben, denn es war zu viel. Wobei wir dann sogar noch eine halbe Stunde massiert worden sind. WOW, mehr konnte ich nicht sagen. Wir wurden rundum verwöhnt, sowas waren wir wirklich nicht gewöhnt. Vor lauter Entspannung schlief ich am Nachmittag in der Sonne ein. Ich wachte auf, weil sich eine kalte Schnauze in meinem Gesicht befand. Es war Julians Hund der mich da begrüßte. Er wusste nicht dass ich schlief, aber merkte schnell an meiner Stimmte, dass ich ein wenig gerädert war. Bei mir dauert es immer einige Minuten bis das Nickerchen, seine erholsame Wirkung entfaltet.

Même si je n’suis d’ici, j’connais par coeur les bords du Mississippi
Même si je n’suis pas de là, j’veux m’oublier
Ouais m’oublier dans tes bras
Même si je n’suis d’ici, j’connais par coeur les bords du Mississippi
Même si je n’suis pas de là, j’veux m’oublier
Ouais m’oublier dans tes bras

Er fragte mich ob ich einen Café trinken möchte, und nicht einmal eine Minute später hielt ich eine Tasse Café in meinen Händen. Wir bedankten und für diesen wundervollen Tag, aber sagten ihm dass wir im Geld geben möchten, da es Unmengen gekostet haben muss. Er fand diesen Vorschlag sehr nett von uns, aber nahm kein Geld an. Stattdessen lud er uns zu der Party ein die am Abend hier stattfand. Langsam wurde es doch ein wenig komisch. Er verbringt seine ganzen Tage hier, scheint ausreichend Geld auf dem Konto zu haben um uns zu verwöhnen, und lädt uns zu einer der wohl schönsten Partys ein. Ich musste ihn einfach nach seinem Job fragen. Er lachte, und meinte nur ich sei wohl nicht sehr begabt darin, Tatsachen zu verknüpfen. Vor uns stand der Besitzer dieses Restaurants/Bar/Freibad. Wir fuhren nach Hause, machten uns fertig und gingen auf diese Party. Es war fast schon klischeehaft. Die Leute sahen gut aus, waren schön angezogen, überall hingen Lichterketten und die Musik war toll. Er stand beim Eingang und begrüßte die Gäste. Als wir kamen flüsterte er mich zu „Zum Glück bist du da, ich steh schon seit einer Stunde da bestimmt, und begrüße irgendwelche Leute, nur weil ich eure Ankunft nicht verpassen wollte“. Zum Glück sah er nicht wie rot ich wurde. Wir gingen an die Bar, und es fühlte sich an als würden wir uns schon ewig kennen.

Comme les reines et l’ivoire
Viens on va s’asseoir
Au vieux piano

Alors tu laisses
Ton coeur décider
Ton coeur hésiter
J’aimerais t’entendre dire

Ich war selten jemanden so verfallen. Meine beiden Freundinnen wollten sich die Terrasse anschauen gehen, ich wollte nachkommen. Plötzlich lachte eine Frau sehr schrill und laut. Es war wirklich kein schöner Lacher. Julian meinte, die Dame sie bestimmt wie eine Hexe aus. Das tat sie auch und er war sichtlich stolz auf sich als ich es bestätigte. Dann fragte er mich, ob er mich sehen dürfte. Ein wenig irritiert willigte ich ein. Wir standen gegenüber voneinander, und er bat mich ihm meine Hände zu geben. Er berührte meine Hände mit seinen, fuhr sanft rauf bis zu meinem Hals. Als er bemerkte, dass ich kaum Ohrläppchen habe, lächelte er. Bevor er zu meinem Gesicht weitertastete, fragte er ob ich viel Make-up tragen würde. Er wollte es nicht verwischen, da ich aber die Frage verneinte, freute er sich und fuhr fort. Er hat wohl die weichsten Hände die ich je in meinem Gesicht gespürt habe. Er lächelte noch immer. Von meinem Gesicht ging zu meinem Schlüsselbein, zurück zu den Schultern und an der Seite runter bis zu meiner Hüfte. Ich kann nicht in Worte fassen was ich in diesem Moment fühlte. Mit der einen Hand blieb er an meiner Hüfte, mit der anderen nahm er mich am Nacken, um mir einen Kuss auf die Wange zu geben. Also da wars schon um mich geschehen. Klischeehafter, romantischer und schöner konnte es nicht sein.

Laissons passer les heures
Laissons passer nos peurs
Et laisses faire le reste
Laisses faire le bonheur
Et remplis toi de quanteur
Remplis moi de douceur
Et roulons nous dans les fleurs

Ein Kellner unterbrach uns, weil es einen kleinen Vorfall an der Küche gab. Meine beiden Freundinnen kamen, als sie sahen dass ich alleine da stand und wollten natürlich sofort alles wissen. Julian kam wieder zurück, diesmal hatte er seinen Hund wieder dabei. Ich sagte ihnen, ich wolle kurz alleine auf die Terrasse gehen, nur um die ganze Situation auf mich wirken zu lassen. Als ich ging, hörte ich noch wie er zu meinen Freundinnen sagte, wie gern er mich in meinem Kleid auf der Terrasse sehen würde. Als ich zurückkam, kam mir eine Freundin entgegen und sagte mir nur, ich hätte ihm den Kopf verdreht. Wir tanzten, wir lachten, wir verarschten und schmeichelten, wir verbrachten einen wundervollen Abend, und dann als es immer später wurde, rief er mir ein Taxi, gab dem Fahrer vorab das Geld und ich fuhr nach Hause.

Und nun sitze ich da, schreibe darüber, doch glauben kann ich es noch immer nicht… Was glaubt Ihr wie es mit uns weiter gehen wird?

Keep your Head up – and your Heart strong.

Das Lied ist von Christophe Maé und heißt „Tombé sous le charme“ und ich habe es gewählt, da ich nicht glaube dass es ein passenderes Lied gibt.

14 replies »

      • Du sollst es wissen, wenn jemand seine Aufmerksamkeit dir schenkt und dich in deinen Träumen fliegen lässt, erwartet von dir, das gleiche, dass du für ihn abstürzt.
        Die Aufmerksamkeit bzw. die Konzentration besitzt unglaubliche Kraft.
        Die Träume haben unterschiedliche Bedeutung.
        Wie z.B. es gibt falsche oder Grenzträume oder begriffene oder Zukunftsträume oder prophetische Träume.
        Dich z.B. habe ich auch in einem Grenztraum bzw. klar und deutlich vor dem Traum gesehen.
        Aber das muss nichts bedeuten, weil jedes Traum, braucht seine Prüfung.
        Was ist Magie?
        Magie ist nur Bewegung, die dich navigiert und ins nirgendwohin treibt!

        Like

  1. Oh, wie schön…Schon fast märchenhaft – im positiven Sinne. Ich musste an Shades auf Grey denken, obwohl es in deinem Text nicht um Sex geht…Wunderschön. 🙆

    Gefällt 1 Person

Hinterlasse einen Kommentar